Der Insider


Ruder klemmt - nur noch abbergen möglich
(26.8.20087)

Am 4. August segelt eine holländische Crew (Vater mit 25 Jahren Skippererfahrung, Mutter und vier Kinder) mit einer in der Türkei gecharterten und bei den Hafenbehörden in Kalymnos einklarierten Bavaria 39 cruiser an der Westküste von Kalymnos in Richtung Leros. Als der Meltemi gegen Mittag kräftig zulegt, entscheidet sich der Skipper vor dem Wind abzulaufen und an der Südküste von Kos am Strand vor dem Club Med Schutz zu suchen. Die Yacht läuft unter gereffter Genua nach Süden ab und steht bei hohem Wellengang westlich von Kap Dafni als plötzlich das Ruder klemmt. Der Skipper versucht es mit der Notpinne, aber das Ruder sitzt fest und lässt sich nicht bewegen - die Yacht luvt immer wieder an, dreht aber in der kräftigen See nicht durch den Wind, sondern treibt auf die Küste zu. Eine zweite Yacht in der Nähe übergibt eine Schleppleine - wegen des festsitzenden Ruderblattes ist jedoch kein Abschleppen möglich.

Die Panik an Bord nimmt von Minute zu Minute zu, vor allem wegen der Kinder und wegen der nahen Legerwallküste, auf die die Yacht zutreibt. Der Skipper setzt einen Mayday-Ruf ab. Die Küstenwache von Kos meldet sich und nach einer Stunde bangen Wartens (und weiterem Versatz in Richtung Küste) kommt ein Hubschrauber in Sicht. Zunächst müssen die Kinder in das gefährlich schwankende Schlauchboot übersteigen, das dann an einer langen Leine weit nach Lee abtreibt, damit der Hubschrauber frei vom schwankenden Mast der Yacht operieren kann. Dramatisch sind die Minuten, in denen die Kinder einzeln mit einem Retter zum Hubschrauber hochgezogen werden. Schließlich sind auch die Frau des Skippers und der Skipper selbst an Bord des Hubschraubers. Der Skipper hatte sich nach telefonischer Rücksprache mit dem Vercharterer in der Türkei dazu entschlossen, sich ebenfalls abbergen und die Yacht vor der Küste treiben zu lassen.

Über den Flughafen Kos erreicht die Familie den Hafen von Kefalos, wo die Yacht inzwischen an der Pier liegt: Fischer haben sie treibend gefunden, abgeschleppt und das Schlimmste, nämlich die Strandung an der Felsküste des hohen Kaps Krikelos verhindert.

Die Geretteten wollen so schnell wie möglich auf "ihr" Boot zurück, auf dem sich das Gepäck und alle Dokumente wie Fugtickets etc. befinden. Doch so einfach geht das nicht: die Fischer beanspruchen das Boot für sich und pochen auf Seerecht. Erst nach langwierigen Verhandlungen, in die auch ein in Griechenland tätiger Agent des türkischen Charterunternehmens und ein Beauftragter der Versicherung eingeschaltet werden, wird die Yacht gegen ein "Lösegeld" frei gegeben und die Familie kann wieder auf das Boot zurück.

Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Yacht mit sechs Menschen an der Steilküste von Kos gestrandet wäre. Der Dank geht an die Hubschraubermannschaft, die professionell operiert hat, und an die griechischen Behörden, die schnell reagiert und Hilfe aus der Luft gesendet haben. Und auch an die Fischer, die das Boot in den Hafen von Kefalos schleppten (wenn auch nicht ohne Eigeninteresse).

Nachtrag 1:
Wie sich bei der Untersuchung der Ruderanlage der Bavaria 39 herausstellt, ist der Ruderschaden offenbar durch eine Konstruktionsschwäche des Ruderarms entstanden. Dieser hatte sich
am Ruderschaft gelöst, war nach unten gerutscht und hatte somit die Blockade des Ruders ausgelöst. In der gleichen Woche hat eine zweite Bavaria im Golf von Gökova bei der Kleopatrainsel ein ähnliches Problem: Blockade des Ruders, allerdings nicht am Ruderarm sondern an der Kettenverbindung. Eine nahestehende Yacht konnte Hilfe leisten und das Boot nach Karacasögüt schleppen, wo der Schaden von Mitarbeitern der Charterbasis innerhalb einer Stunde durch ein behoben wurde. Ähnliche Vorfälle wurden in letzter Zeit an zwei weiteren Bavarias 39 festgestellt. Der Verdacht liegt nahe, dass die Ruderanlagen bei einigen Bavaria 39-Modellen zu schwach ausgelegt sind.

Nachtrag 2: Jeder der diese Geschichte liest, mag sich überlegen, was passiert wäre, wenn der Skipper nicht ordnungsgemäß in Kalymnos einklariert hätte, sondern - wie vielfach üblich - "einfach so" aus der Türkei kommend in griechischen Gewässern unterwegs gewesen wäre. Weitere Kommentare überflüssig.

Jeder ist für sich, seine Crew und sein Boot verantwortlich. Dazu gehört auch, dass man sich an die Regeln und Richtlinien hält, die in dem jeweiligen Revier gelten. Zur eigenen Sicherheit.
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