Der Insider



Des Insiders best places: Levitha im Dodekanes
14.11.2015 Die einzigen Bewohner der Insel laden zu einer Zeitreise ein: So lebte es sich dort schon vor Jahrhunderten


Coldwaterbay

Auf der kargen, abgelegen zwischen Kykladen und Dodekanes gelegenen Mini-Insel Levitha wohnt eine einzige griechische Familie. Sie hat in der Südostseite in einer kleinen Bucht ein Bojenfeld für eine Handvoll Yachten eingerichtet.

Als wir ankommen und an einer der Bojen festgemacht haben hört man neben dem Wind, der über die Insel streicht, erst einmal nur eins: auffallend lautes Ziegengemecker und Schafsgeblöke. Der Blick richtet sich auf den kleinen Anleger am Ufer, an Land fällt eine lange Mauer ins Auge. Links von ihr rufen gute Hundert Ziegenbabys, rechts der Mauer antworten die Mütter. Sie können sich hören, aber nicht sehen, man spürt die Unruhe der Tiere.


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Wir machen uns auf den Weg zum einzigen Haus auf der Insel, das angeblich eine Familie bewohnen soll, die auf Nachfrage Seglern auch einfaches Essen zubereitet. Wir hatten einen langen Segeltag mit erst Wind, später Flaute und viel, viel Sonne hinter uns. Alle sind müde, keiner hatte so richtig Lust zu kochen.

Der Weg zum Hof führt über eine farbenfroh blühende Wiese und immer wieder an Ziegen vorbei, die bei Annäherung scheu davon laufen. Wir klopfen und es öffnet Dimitris Kamposos, einer der Söhne der Familie. Ja, er würde seine Mutter fragen, ob sie kochen könnte heute Abend. Wir haben Glück, sie hat Zeit – und Lust. Ein einfacher Salat, Bifteki aus Ziegen- und Schafsfleisch gemischt und gebackener Käse aus der Milch beider Tiere, das sei möglich. Wir schlagen ein..



Dann erzählt Dimitris. Seit 400 Jahren bewirtschaftet die Familie die Insel, baut Obst und Gemüse an, züchtet Ziegen und Schafe. Regelmäßig gehen sie mit ihrem eigenen Caique fischen. Strom liefert eine EU-geförderte Solar- und Windkraftanlage. Einsam, aber autark wohnen sie hier. Die Frau seines Bruders lebt mit den Kindern auf Patmos, der Schule wegen. Glücklich sei man dennoch. Die Wirtschaftskrise? Ja, davon haben sie gehört, aber bei ihnen sei alles ganz einfach: Sie sind ihre eigenen Herren, sie lieben ihre Arbeit, wüssten immer, was zu tun sei und ihre Insel versorge die ganze Familie. Was zähle denn sonst im Leben? Traumziele vielleicht? Er schmunzelt. So schlecht könne seine Insel doch nicht sein, wenn wir extra aus Deutschland hierher kämen.

Er erklärt uns auch, was es mit der Mauer und den rufenden Ziegen auf sich hat: Sie produzieren Ziegen und Schafsmilch. Dafür werden die Mütter von ihrem Nachwuchs getrennt. Tagsüber weiden sie, produzieren Milch, die Ziegenbabys müssen sich aber gedulden. Jeden Morgen werden sie gemolken. Wenn wir mögen, können wir dazu einmal vorbei kommen.

Am Abend sitzen wir unter einer urigen Weinpergola im Bauernhof umgeben von Amphorenresten, riesigen Steckmuschel-Schalen, Schildkröten-Skeletten und anderen Fundstücken, die die Söhne herauf getaucht haben. Einfach urig. Vater Kamposos brät auf dem Grill im Garten über der Holzkohle die Biftekis, seine Frau richtet den Salat an, Sohn Dimitris schlüpft in die Rolle des Kellners. Das Essen schmeckt umwerfend, der gebackene Käse ist die Wucht. Leicht und cremig, würzig, aber nicht so salzig, wie sonst oft. Das Geheimnis ist die richtige Mischung erklärt Dimitris. Sie vermengen Ziegenmilch und Schafsmilch zur Herstellung und es wird die frische Rohmilch benutzt, nichts wird unnötig erhitzt. Wir sind uns einig, der beste Käse, denn wir in 20 Jahren Griechenland-Segelei je gegessen haben. Klar, dass wir davon ein Kilo mitnehmen müssen – und uns nach zwei Tagen ärgern, dass wir nicht zwei mitgenommen haben.

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Am nächsten Morgen will ich dann das Ziegen-Schauspiel bestaunen. Tatsächlich stehen, als ich zum Bauernhof hinauf auf den Hügel laufe, schon überall die Ziegenbabys. Wildes Gemecker, die Tiere springen mal neugierig, mal ängstlich um mich herum. Ihr Fell ist noch weich und flauschig, in Grüppchen drängeln und schieben sie sich vor einem Tor zum Hof.

Dort treffe ich Dimitris. Er sagt, die Ziegen warten auf die Mütter, die sie im Stall gerade melken. Sie nehmen ihnen einen Teil der Milch, lassen aber genug für den Nachwuchs im Euter, damit dieser nicht zu kurz kommt. Muttertier-Haltung nennt sich so etwas bei uns in der Milchwirtschaft und gilt als Bio und tierfreundlichste Variante der Produktion. Beim Melken zuschauen darf ich dann aber doch nicht: Dimitris Vater hat Angst vor Krankheiten, die die Besucher von ihren Haustieren oder Kontakt mit den vielen Streunern in Griechenland mitbringen könnten. Seine Tiere leben seit Generationen hier auf der Insel, Krankheiten sind selten – und so soll es bleiben.
Sind alle Ziegen-Mütter gemolken, geht schließlich endlich das große Tor auf, das die Tiere noch trennte. In einem einmaligen Schauspiel beginnt ein inniges Gesuche jedes Babys nach seiner Mutter. Dann werden sofort Euter angestupst und die Tiere trinken lange. Es kehrt eine zufriedene Ruhe ein. Danach verziehen sich die Tiere gemeinsam auf die Weiden.

Ein interessanter Einblick in das Leben auf einer kargen, abgelegenen Insel wurde uns zu Teil. Die Tiefe Verbundenheit der Bewohner mit dem was sie tun, ihrer Arbeit, ihren Feldern war sehr beeindruckend zu erleben. Ich kann einen Stopp hier nur empfehlen. Für die Nacht an der Boje müssen Yachten je nach Größe um die 10 Euro zahlen.


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