Der Insider

Ein Inselportrait: Milos
von Andreas Fritsch
04.11.2014


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Wer in der griechischen Ägäis segelt, wird zwangsläufig zum Island-Hopper. Nirgendwo sonst im Mittelmeer findet die Crew so viel Abwechslung: hippe Ferieninseln wie Mykonos oder Ios, landschaftlich Spektakuläres wie Santorin, beschauliche kleine Ziele wie Leros oder Serifos oder windumtoste wie Amorgos und Sifnos. Ein ganz besonders Ziel ist auch Milos.

Die Insel liegt abseits der Trampelpfade der Chartercrews, am Südwestrand der Kykladen und wird relativ selten von Crews angelaufen. Was schade ist, denn sie ist extrem abwechslungsreich und bietet ein paar sehr ungewöhnliche Sehenswürdigkeiten.

Milos ist wie eine ganze Reihe der Kykladen vulkanischen Ursprungs. Eine gewaltige Eruption, die die Insel nahezu in zwei Teile riss, formte die U-Form des alten Kraters. Die explosive Geschichte der Insel können Segler noch heute gut nachvollziehen: Wer an der Südküste vor den langen Stränden von Firiplaka ankert, findet eine höchst ungewöhnliche Szene vor. Die felsige Küste leuchtet mal knallgelb vom vielen Schwefel im Boden, mal leuchtend rot von Mineralien. Wer beim Baden mit der Taucherbrille einen Blick unter Wasser wirft, sieht teils sogar vom Meeresboden kleine Gasbläschen aufsteigen. Die Insel ist noch immer vulkanisch aktiv, wenn es auch seit Jahrhunderten keinen Ausbruch mehr gab. Die Plätze dort liegen zwar im Leeschutz der Insel, sind aber nur bei einigermaßen ruhigem Wetter machbar. Wer mag, kann aber alternativ vom Inselhauptort Adamas mit dem Moped (gibt es für rund 15 Euro pro halben Tag im Ort) dorthin fahren.


Wer die Insel mit dem Boot anläuft, wählt aber meistens Adamas, den Hauptort und einzigen sicheren Hafen von Milos als erstes Ziel. Er liegt rechts hinter der nördlichen Huk der halbrunden Bucht im Herzen der Insel. Die Liegeplätze an einer Betonpier vor Buganker sind komfortabel, an Land gibt es Strom- und Wasseranschlüsse, Diesel kommt per LKW. Der Schutz ist bei den vorherrschenden Meltemi-Winden gut, nur wenn es aus West oder Süd zu wehen beginnt, wird es rasch ungemütlich. An Land findet sich ein typisch griechisches Inselstädtchen mit Tavernen und Shops am Ufer und einem gemäßigten, noch sympathischen Tourismus. Bauern verkaufen Obst und Gemüse direkt von der Ladefläche ihrer Pick Ups am Hafen, Geschäfte bieten lokale Spezialitäten.


Eine der besonderen Sehenswürdigkeiten haben Crews auf dem Weg nach Adamas meist passiert und hoffentlich nicht links liegen gelassen: der kleine Fischerort Klima. Wie an einer Perlenschnur reihen sich dort bunte Fischerhäuser direkt am Rand des Wassers entlang. Lassen Wind und Schwell es zu, sollte man dort ankern und an Land gehen. Völlig relaxt sitzen einheimische Fischer und ein paar Gäste vor ihren Häuschen, die bei Westwind jedesmal im Erdgeschoss überflutet werden. Wie sie damit umgehen, wollten wir von einer älteren Griechin wissen, die vor ihrem Haus hockt und Muscheln schrubbt. Sie lacht und führt uns ins Untergeschoss. Wir sind überrascht: In der einfachen Wohnküche stehen nur wenige Möbel – und ein Holzboot. "Das Erdgeschoss ist Lebensraum und Bootsschuppen in einem, gelebt wird oben!" Dort wird bei Sturm alles verrammelt, die Gischt sprüht zwar gegen die Fensterläden, aber die Häuser werden nur gesalzen, nicht geflutet.

Die Atmosphäre im malerischen Ort ist erholsam träge: Fischer flicken Netze, eine Verkäuferin döst vor dem einzigen Shop in der Sonne, ein paar Urlauber sitzen auf den Balkonen oder schwimmen vor dem Strand. Ein netter, relaxter Spot, allerdings ohne Restaurants oder Bars.

Ein ähnlich malerisches und höchst fotogenes Nest findet sich an der Nordküste bei Firopotama. Hier verhindert der Schwell des Meltemis oder der vorherrschenden Nordwinde allerdings meist das ankern.

Zweites beliebtes Ziel ist der Ort Pollonia an der Nordostspitze von Milos. Das hübsche alte Fischerdorf ist ein wunderschönes Plätzchen, an Land laden Tavernen zum kulinarischen Stopp. Allerdings ist die Bucht nicht sehr tief, oft nur um die 2-3 Meter, größere Yachten müssen deshalb relativ weit vom Strand entfernt ankern. Die kleine Pier im Südteil der Bucht ist meist durch einheimische Boote belegt. Weht der Meltemi stark, kann dann Schwell die Plätze unruhig machen. Dann ist Adamas die bessere Wahl.


Wem solche menschengemachten Sehenswürdigkeiten nicht liegen, der kann vom Boot aus (oder wieder über Land) die bemerkenswerten schneeweißen Felsen der Küste mit Grotten und skurrilen Felsnadeln im Südwesten bei Kleftiko und an der Nordküste bewundern. Die steilen Formationen leuchten in der Sonne, die kalkhaltigen Ablagerungen am Grund tauchen das Meer davor in ein einmalig schönes Türkis. Dort lässt es sich bei ruhigem Wetter wunderschön ankern, baden, den Tag vertrödeln. Tags kommen einige Ausflugsboote die Küste entlang. Gegen Abend wird es dann still, für die Nacht taugen, wenn überhaupt, aber nur die Plätze im Südwesten. Kündigt sich eine Wetteränderung an, muss man den Platz schleunigst verlassen.
Die weißen Berge der Insel, auf denen oft die kleinen Insel-Orte mit ihren wie hingewürfelten Häusern liegen, lassen sich prima mit dem Moped erkunden. Plaka, der Ort in den Bergen hoch oben über Klima, ist so ein Ziel.

Auf dem Weg dorthin begegnen Crews an Land riesigen Bergbau-Gebieten, die teils wie tiefe Wunden in der Landschaft wirken. Dort wird noch heute unter anderem Bauxit und Perlite abgebaut. Letzteres kennen manche Segler vielleicht vom Dämmen ihres Hauses: Es handelt sich um ein vulkanisches Gestein, dass grob zermalen und dann erhitzt wird. Dabei poppt es wie Popcorn auf, vergrößert seine Oberfläche enorm und schließt viel Luft ein – fertig ist einer der ökologisch hochwertigsten Dämmstoffe, der obendrein Feuchtigkeit aus dem Gebäude aufnehmen und abgeben kann.

Die Inselorte leben zu einem guten Teil von diesem Geschäft, auch einer der Gründe, warum Milos nicht so sehr auf den Massentourismus angewiesen ist. Von der Bergbau-Geschichte ist auch an den Ufern noch etwas zu sehen, etwa die alten Verladerampen für Frachter im Südwesten, die heute verlassen in die Ägäis ragen.


Um die Zeit, als noch nicht mit riesigen Maschinen, sondern wirklich noch im Bergbau in Stollen und Gängen gearbeitet wurde, rankt sich eine der schönsten Anekdoten der Insel, die so typisch griechisch-schlitzohrig ist, dass sie hier erzählt werden muss (ob sie wirklich stimmt, weiß ich bis heute nicht!): Als der Bergbau auf Milos nicht mehr wirklich lukrativ war, sicherte der Staat den letzten Bergarbeitern einen lebenslangen Lohn zu, indem sie die abgebauten Mineralien aufkauften. Der Geschichte nach kam dann jedes Jahr für einen Tag ein Beamter aus Athen. Der ließ sich das abgebaute Material zeigen, bestätigte Abbau und Menge und die Arbeiter bekamen ihr Geld. Anschließend verließ der Beamte die Insel, ohne den Abtransport der abgebauten Gesteine per Schiff zu organisieren, da dies nicht mehr lukrativ war. Nach ein paar Jahren gingen die Einheimischen dann dazu über, die abgebauten Materialen einfach per LKW an andere Orte zu verteilen und dem Beamten im nächsten Jahr als den neu angehäuften Berg zu verkaufen....


Wem es gelingt diese Geschichte durch Aussagen vor Ort zu belegen, stiftet der "Insider" eine Flasche des meiner Meinung nach besten Ouzos Griechenlands!

Wer nach Milos fährt, findet auch exzellente Infos auf einer deutschsprachigen Info-Seite eines Insel-Fans: klick