Der Insider
Fischfarmen im Golf von Güllük nach wie vor umstritten
15.10.2009

Fischzucht mitten im Tourismusgebiet


Der Golf von Güllük ist seit vielen Jahren als Zentrum der türkischen Meerwasser-Fischzucht bekannt. Umweltschützer bekämpfen die Betriebe von Anfang an, denn das einst saubere Wasser des Golfes ist seit der massiven Installation der Zuchtanlagen von Jahr zu Jahr trüber geworden.

Von Fischen und Frachtern verdreckt

Die Gewässer im Golf von Güllük waren in den letzten Jahren mehr grün statt blau. Verursacher der Verschmutzung sind neben den Fischfarmen auch die Frachtschiffe, die zum Eisenerz laden in den Golf einlaufen und östlich von Güllük an einer neu errichteten Pier anlegen. Um in der rauhen See der Ägäis nicht in Schwierigkeiten zu geraten, bunkern die Frachter Seewasser als Ballast. Meist da wo sie los fahren, oft in den schmutzigen Gewässern dubioser Industriehäfen, insbesondere der Adria. Dieses Ballastwasser wird dann - vor Güllük auf Reede - abgepumpt. Kein Wunder, wenn die blauen Fluten des Golfes umgekippt sind.

Hauptdilemma im Golf waren aber die zum großen Teil unerlaubten Fischfarmen. Millionen Fische fressen nicht nur, sondern - mit Verlaub - scheißen auch die Buchten voll. Da die Fischfarmen meist in Nischen und windgeschützten Buchten verankert waren, kam zum Schmutz der Frachter der Schmutz der Fische dazu. Die Folge: eine grüne Soße, die den Hotelanlagen und den wenigen Stränden in der felsigen Golflandschaft schwer zu schaffen machten. Segler mieden den Golf seit langem. Zumal auch die Ankermöglichkeiten in den von Fischfarmen belegten Buchten stark eingeschränkt waren.

Umweltschützer in Bodrum versuchten seit Jahren, sowohl gegen das Ballastwasserverkappen der Eisenerzfrachter und gegen die Fischfarmen vorzugehen. Doch die Wirkung war nicht nachhaltig. Vor drei Jahren sollten die Fischfarmen den Golf verlassen und weiter draußen (offhshore) zu strömungsintensiveren Plätzen umziehen. Doch war bisher kaum ein Betrieb der Auflage gefolgt. Schade, denn früher war der Golf von Güllük ein wunderschönes Segelrevier.


Teilweise außerhalb des Golfes, aber immer noch ökologisch problematisch

Erst nachdem bei einem großen Fischsterben durch eine Seuche, der Ertrag eines Jahres nahezu vernichtet wurde, haben die Behörden entschlossener reagiert und neue Bestimmungen erlassen. Demnach können Fischzuchtbetriebe im Güllük Golf nur noch vor den Ufern von Tahtakoz und Kazikli festmachen, sowie bei der Salih Insel und bei der Yilan Ikikiz Insel. Nach den neuen Vorschriften sind geschlossene Buchten und Buchten mit archäologischen Stätten ausgeschlossen. Der Bereich in dem Fischzucht erlaubt ist muss 30 Meter tief und mindestens 1100 Meter von der Küste entfernt sein, und der Strom sollte mindestens 0,1 Meter pro Sekunde betragen.

Dennoch sind die neuen Standorte im Golf weit von dem entfernt, was Umweltschützer und Anwohner erwarten. Für sie wurden die Fischfarmen lediglich von der einen Seite des Golfes zur anderen bewegt. Ein Staatsbeamter aus Ankara hält dagegen, dass die Betriebe den gesetzlichen Vorschriften entsprächen und keine Umweltverschmutzung mehr verursachen würden.

Bis vor kurzem gab es im Güllük Golf 130 Fischfarmen, die dem Tourismus in der Region mit seinen 30 Fünf-Sterne-Hotels, mehr als 130 kleineren Hotels und 30.000 Sommerhäusern schwerden Schaden zufügten. Die Zahl der Yachten ist in den letzten 10 Jahren von 80 pro Tag auf 15 gesunken, während die Anzahl der Buchten, die für Touristen zugänglich sind, von 35 auf 12 reduziert werden mussten.

Die Einheimischen hatten gehofft, dass sich die Situation nach der Veröffentlichung der Neuregelung im Januar 2007, die das Betreiben von Farmen im Inneren des Golfes verbot, verbessern würde. Doch nach wie vor beschweren sich Touristen in Torba, Güllük und anderen Küstenorten bei den Tour-Agenturen über die im Meer treibenden toten Fische, Fischnetze, Fässer und Reusen, die beim Schwimmen oder anderen Wassersportarten risikoreich wären.

So hat das weltbekannte Sunsail Wassersport Center schon vor drei Jahren wegen der Verschmutzung und der Krankheitsrisiken die Region verlassen. Nirgendwo auf der Welt sei es erlaubt, so einer der Sunsail Mitarbeiter, Fischzuchtbetriebe direkt vor oder in der Nähe touristischer Anlagen einzurichten. Sebahat Pehlivan, Direktorin der Sommerhäuser in der Region, fordert, dass Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, das Problem zur Chefsache machen müsse. "Ich rufe Ministerpräsident Erdogan auf, der Verschmutzung ein Ende zu machen. Die Natur, die Ökologie und vor allem das menschliche Leben stehen auf dem Spiel", sagte sie. Farbe und Geruch des Meeres im Golf hätten sich verändert und die Anwohner könnten nicht mehr im Golf schwimmen. "Die Fischzucht von der einen Seite des Golfes in eine andere zu verlegen sei keine Lösung. Jetzt würden die Leute von Zeytinlikuyu und Akbük darunter leiden".



Das Thema ist auch auf der Tagesordnung der Grünen Partei in der Türkei gelandet. Bilge Contepe, Leiterin der Partei, sagte: "Jetzt ist die öffentliche Empörung groß, was uns beweist, dass wir Recht hatten, als wir von Anfang an vor den Gefahren gewarnt haben. Aber die Behörden haben die Proteste ignoriert und alles so laufen lassen." Auch die Grünen in Deutschland wollen sich für die Offshore-Verlegung der Farmen einsetzen. "Mit ihrer Hilfe," fügte Contepe hinzu, "werden wir das Problem zum European Court of Human Rights bringen und mit wissenschaftlichen Analysen beweisen, welche Gefahr für Natur und Menschen drohen. Wenn unser Staat die Sache nicht zu Ende bringt - der Gerichtshof wird es tun." Contepe ist nicht gegen die Fischproduktion, aber sie sollte auf offene See verlegt werden.

Der Umwelt-und Forstdirektor aus Mugla, Mehmet Sahin, erklärte indessen: "Neunzig Prozent der Zuchtbetriebe seien außerhalb des Güllük Golfes verlegt worden, und der Rest werde bald folgen. Die neuen Standorte wurden so ausgewählt, dass in Zukunft keine weitere Verschmutzung zu befürchten sei. Alles sei getan, damit die Region überleben könne und die Natur geschützt sei. Allerdings weigerte er sich zuzugeben, dass jemals von einem Umzug der Betriebe ganz nach Offshore gesprochen worden sei. "Die Fischzucht kann in der Bucht bleiben, aber natürlich an Orten, wo sie keine Verschmutzung verursacht", sagte Sahin.

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