Der Insider



Vielleicht ist das Absaugsystem aus den Finnischen Schären eine wirkungsvolle Alternative

Das Bluecard-System wird auf die gesamte Küste ausgeweitet
01.11.2013

Gerade wurde bekannt, dass das Turkish Ministry of Environment and Urbanisation das Bluecard System im Jahr 2014 auf die gesamte Küste anwenden will. Boote, die ohne Bluecard erwischt werden sollen bis zu 5.200 $ Strafe bezahlen. Ein englischer Segler, der die Türkei Richtung Westen verlassen hat, teilte auf Twitter mit: We left Turkey. The country has become too much hassle. It seems the authorities wish to bring the Turkish yachting industry to a close...

Warum das Bluecard-System noch immer stottert und nicht funktionieren kann:

1. An den fehlenden Grauwassertanks auf den meisten Yachten und vielen Gulets/Ausflugsschiffen.

2. An zu wenig Abpumpstationen an der Küste - siehe dazu auch die Kommentare in Marmaris Bay Cruisers (engl.): klick

Grob gesagt können auf allen Yachten unter 15 Meter Länge neben den vorhandenen Blackwater-Tanks (für die Toiletten) keine weiteren Greywater-Tanks (für die Pantry- und Duschwasser) eingebaut werden. Weil es keinen Platz dafür gibt. Viele dieser Yachten, vor allem die im Chartereinsatz, haben bereits eine Bluecard und verwenden diese auch, da es ohne die Bestätigung einer Absaugung kein neues Transitlog gibt.

Doch was heißt dies konkret: Ein Charterkunde bucht eine Charteryacht und segelt in einem Zweiwochentörn von Bodrum nach Marmaris. In Bodrum hat er eine Yacht übernommen, die an der Absaugstation der Milta Marina bei der Tankstelle "entleert" wurde. Eine weitere Abpumpmöglichkeit gibt es vor dem Kastell an der Guletpier und eine bei der Tepecik Moschee, doch funktionieren die Systeme nur doch bootseigene Pumpen. Außerdem sind diese Plätze nahezu immer von Dauerliegern beansprucht, es gibt keinen Zugang. Wo also werden die hunderte von Gulets abgepumpt, die im Hafen oder vor dem Hafen rund um das Kastell ankern? Die Gemeinde betreigt ein minikleines Absaugboot, das jedoch schon bei der "Übernahme" von einer Gulet voll ist und überlaufen dürfte.


Kurze Abpumpstrecke in Bodrum - durch Dauerlieger belegt

In der ersten Törnwoche von Bodrum nach Marmaris werden die Buchten des Gökovagolfes angelaufen: Çökertme, Akbük, Karacasögüt, Degirmenbükü, Yediadalar, Çati, Mersincik, Knidos. An Bord sind 6 Personen, es gibt drei Toiletten, jede mit einem Tank für ca 60 Liter, aber keine Extratanks für Spül- und Duschwasser.

In Akbük, Degirmenbükü, Çati und Knidos sind die Toilettentanks voll, aber es gibt keine einzige Absaugstation. Was macht die Crew? Sie verklappt die Tanks auf "hoher See". Dusch- und Spülwasser mit den hochbrisanten Tensiden müssen ohnehin wegen nicht vorhandener Grauwassertanks nach jeder Nutzung direkt ins Meer abgelassen werden.

Der Törn geht weiter über Ovabükü nach Datça. Dort sind die Toilettentanks wieder voll. Hoffnungsfroh begibt sich der Skipper zum zuständigen Marinero der Gemeinde. Der zuckt nur mit den Schultern: Absaugen geht nicht, aber die Bluecard kann er für 10 TL bestätigen lassen... Wieder auf "hoher See" lässt der Skipper die Toilettentanks ins Meer entleeren. Die Grauwasser gehen wie immer direkt Außenbords.

Weiter geht der Törn in den Hisarönügolf. In Orhaniye ist ein Absaugboot von Turmepa stationiert, aber das ist gerade in der Bencikbucht beschäftigt und kann erst morgen kommen. Der Absaugwunsch muss einen Tag vorher angemeldet werden (0539 437 4654), mit fester Uhrzeit und einem Liegeplatz in einer Bucht. Inzwischen sind die Tanks schon wieder voll und werden auf "hoher See" entsorgt. Oder man bucht eine Nacht in der Marti Marina, um dort absaugen zu lassen - was problemlos möglich ist, aber Liegegebühren kostet.


Und weiter geht der Törn über Bozburun (keine Absaugstation), Bozukkale (keine Absaugstation), Serçe Limani (keine Absaugstation), Çifltik (keine Absaugstation) bis nach Marmaris. Dort liegt in der Hafeneinfahrt der Netsel Marina ein Turmepa-Boot, an dem man längsseits festmachen und absaugen lassen kann. Die Absaugpumpe in der Yachtmarina war gerade außer Betrieb, da kaputt. Das Turmepa-Boot kommt angeblich auch zum Liegepaltz der Yacht (0539 437 4430), doch ist es dann in der Marina nicht verfügbar.


Segelt man weiter in den Golf von Fethiye, so berührt man die Buchten Ekincik mit der My Marina (ohne Absaugstation) und Asikoyu (dto.). In allen Buchten des Fethiyegolfes (Kapi, Wallbay, Sarsala, Thombbay, Tersane, Boynuzbükü usw.) gibt es keine Absaugmöglichkeit. Allerdings kann ein Turmepaboot einen Tag vorher telefonisch angefordert werden. Nur muss man in diesem Fall in der Bucht liegen bleiben und warten bis man dran ist (0539 439 1162).

In Göcek gibt es drei Möglichkeiten: 1. An der Tankstelle der Club Marina. 2. Am Turmepa-Steg kurz vorher, der 2013 vorübergehende geschlossen war, aber im Spätsommer wieder geöffnet wurde. 3. Am Liftsteg der D-Marina. Und in Fethiye an der Tankstelle der ECE Marina. Segelt man die Küste weiter in Richtung Finike, so findet sich nur noch eine Absaugstation in der Kas Marina. In Kalkan gibt es keine Möglichkeit. Die Setur Marina bietet dann wieder eine Möglichkeit; dort kostet das Absaugen bis zu 1m3 18 Euro. Die Turmepa-Boote und der Steg in Göcek sind kostenfrei.

Die Frage, die sich stellt: ist dies ein wirklungsvolles System, das reif ist um auf weitere Regionen erweitert zu werden?

Tenside, Tenside - sie abzubauen dauert Jahrzehnte

Klar ist: es geht nicht um die Fäkalien. Die sind natürlich und werden vom Meer (auf hoher See) absorbiert, wenn sie nicht direkt in die Buchten abgelassen werden. Das Gefährliche sind die tensidehaltigen Schampoos, Dusch- und Waschmittel, Gels und Seifen aus den Nasszellen und die Spülmittel aus den Pantrys der Yachten und Gulets. Diese werden während der Törns zwischen Bodrum und Göcek und an der übrigen Küste auch, nach wie vor ungehindert ins Meer abgelassen - wo sollen sie auch sonst hin? Das inoffiziell ausgesprochene Verbot der Behörden, jegliches Wasch- und Spülmittel an Bord mitzuführen, ist in den Wind gesprochen. Daran wird sich - auch bei strengsten Kontrollen - niemand halten. Wie soll denn das Geschirr wieder sauber in die Schapps kommen?

Alle Yachten an der Küste (gleich ob privat im Einsatz oder als Charteryacht) mit zusätzlichen Grauwassertanks auszurüsten, ist eine Utopie, die aus Platzgründen nicht funktionieren kann. Außerdem wäre die Kapazität so klein, dass - wollte man diese Absaugen - in jeder Bucht eine entsprechende Absaugstation installiert sein müsste. Eine Alternative wäre das oben gezeigte finnische System, das allerdings voraussetzt, dass große Absaugschiffe im Einsatz sind, die diese Sammelstellen vor den Buchten wiederum absaugen.

In diese Richtung weiter zu denken und zu hoffen, durch Verordnungen das Problem in den Griff zu bekommen, ist eine Utopie. Drei Alternativen sollten deshalb geprüft und durchdacht werden, bevor man das löcherige Bluecard-System auf die gesamte türkische Küste ausweitet.

Natürlich sind 90% der Segler und Kapitäne der Überzeugung, dass es richtig ist die Tanks nicht in die Buchten zu entleeren. In der Durchführung gibt es aber noch immense Lücken und Ungereimtheiten. Insbesondere die Charterfirmen und Charterbasen vor Ort sollten allerhöchstes Interesse daran haben, ihre "Kunden" nicht in ein ungeklärtes Absaugchaos zu schicken. Sie müssen aktiv werden und gemeinsam beim Ministerium in Ankara für Denkhilfe und Weichenstellung sorgen. Aus eignem Interesse. Damit diese Haltung nicht um sich greift:

“I think the “Blue Card” has all the properties needed to turn it in a nightmare for foreign yachtsmen who might be interested in coming to Turkey or even staying in Turkish waters as it seems that marina owners and harbour masters are already beginning to see this as a way of “robbing” people for pumping out non-existent waste water tanks.” The Magus


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