Der Insider
Ein Update zur Flüchtlingsfrage
05.09.2015



Seit dem letzten Bericht zum Thema hat sich die Menge der Flüchtlingsströme ohne Frage verstärkt, da hilft kein Schönreden. Letzte Zahlen belegen das eindeutig. Die türkischen Behörden griffen allein im Zeitraum vom nur vier Tagen im August in 44 Einsätzen 1800 illegale Flüchtlinge auf. Waren 2014 noch 15.000 Flüchtlinge auf türkischer Seite aufgegriffen worden, rechnen die Behörden dieses Jahr mit mindestens 50.000, so meldet es die „Hürriyet“.

Der Flüchtlingsschutzverband Pro Asyl nennt Zahlen von 80.000 Flüchtlingen, die allein in den ersten sieben Monaten diesen Jahres in Griechenland angekommen sind. Besonders auf Kos und Lesbos landen jede Nacht hunderte Flüchtlinge an, auf Lesbos auch schon einmal 10000. Insgesamt kursieren von Frontex Schätzungen über 200.000 Flüchtlinge, die dieses Jahr über den Seeweg nach Griechenland drängen.

Mittlerweile gibt es auch Berichte von ersten deutschen Crews, die bei einer Nachtfahrt auf Flüchtlinge trafen – eine sogar gleich dreimal. Zum Bericht des Skippers geht es hier.

Bleibt die Frage, wie Segler mit der Situation umgehen sollen. Festzuhalten ist zunächst, dass eine Begegnung mit Flüchtlingen in der Türkei tagsüber sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Die Boote starten nach Einbruch der Dunkelheit, um nicht direkt von der Coastguard aufgegriffen zu werden. Hie und da trifft man die Flüchtlinge auch an Land an, wie unser Foto oben von den auf die Überfahrt wartenden Migranten in Bodrum zeigt. In den Buchten und kleinen Orten ist kein derartiger Ansturm zu erwarten. Ab Marmaris östlich sind die Entfernungen zu den Inseln zu groß, dort starten kaum Flüchtlingsboote..

In Griechenland sieht es etwas anders aus: Auf den Inseln, Kos, Lesbos, Agathonisi und auch teilweise Symi sieht man die Flüchtlinge am nächsten Morgen teils an den Küsten. Hier scheinen die Schwerpunkt-Routen zu sein, auf den anderen Inseln, beispielsweise Rhodos treffen weniger Flüchtlinge ein, da die Überfahrten deutlich länger und gefährlicher sind.

Die große Frage, die nun dem „Insider“ gestellt wird lautet: Kann man an der Küste nun noch sicher segeln? Die Antwort ist natürlich: Ja! Es gibt nur Berichte von einer handvoll Begegnungen zwischen Yachten und Flüchtlingen, alle fanden während Nachtfahrten von Crews statt. Es gibt keinen einzigen Bericht von einer Begegnung tagsüber, von möglichen „Angriffen“ auf Skipper ganz zu schweigen.

In Wahrheit geht es ja auch gar nicht um das „Risiko“ (...das tragen ohnehin nur die Menschen in den Nussschalen und Schrottbooten der Schlepper, die ihr Leben riskieren), sondern darum, dass manche Segler im Urlaub nicht mit dem Leid anderer Menschen konfrontiert werden wollen. Das ist natürlich das gute Recht eines Jeden, aber im Grunde versagt man so diesen Menschen in Not das Mitgefühl. Das halte ich für grundverkehrt. Ich fahre ja in Hamburg auch nicht jedes Mal einen Umweg, um bloß nicht an den Unterkünften der Flüchtlinge vorbei kommen zu müssen.

Wir leben in einer unruhigen Zeit, es ist nicht abzusehen, dass die Flüchtlingsströme in den nächsten ein, zwei Jahren abnehmen könnten. Wir Segler sollten das akzeptieren und helfen wo wir können. Wie man sich seemännisch richtig verhält, habe ich unlängst in der YACHT geschrieben, zum download des PDFs der Geschichte geht es hier.

Nicht vergessen sollten wir auch, dass ausbleibende Gäste die Griechen und Türken, die im Revier vom Fremdenverkehr leben, hart treffen. Auf einigen Inseln und auch aus der Türkei hört man bereits von deutlich zurückgehenden Besucherzahlen. Auch bei den Flottenbetreibern knicken die Buchungszahlen ein. Dabei sind es vor allem die Einheimischen vor Ort, die die Angekommen mit Wasser, Nahrung und Hilfe unterstützen, zumal sich der griechische Staat als völlig überfordert mit dem Problem zeigt. Wie lange sie dazu wohl noch bereit sind, wenn ihnen selbst die Kunden ausbleiben und die Einnahmen wegbrechen?

Mein Appell wäre daher dieser: Begegnet dem ernsten Problem vor Ort mit Mitgefühl und Anstand, aber verschliesst nicht die Augen davor oder dreht ihm den Rücken zu. Unterstützt die Leute vor Ort, indem man dem Revier treu bleibt und, so man auf Flüchtlinge auf See trifft, muss man diesen selbstverständlich Hilfe leisten.




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