Der Insider

Eine bedrohte Art in der Ägäis erholt sich langsam
18.09.2015



Seit vielen Jahren schon schreibe ich für die YACHT über Umwelt und Tiere des Mittelmeeres. Über die Jahre hat sich dadurch ein loses Netzwerk von Umweltverbänden, Tierschutzprojekten und Fachleuten ergeben mit denen ich immer wieder mal Kontakt habe. Bei meiner letzten Reise durchs Ionische Meer vor wenigen Monaten hatte ich daher Gelegenheit mit mehreren Meeresbiologen zu sprechen, die sich um den Schutz und die Forschung über Delphine und Mönchsrobben beschäftigen.

Dabei kam durchaus Wissenswertes zu Tage, dass ich in einer losen Folge vorstellen möchte. Den Anfang macht ein Gespräch mit dem griechischen Meeresbiologen Dr. Alexandros Karamanlidis, dem wissenschaftlichen Leiter des griechischen NGO MOm, das sich seit 25 Jahren dem Schutz der Robbe verschrieben hat. Die Griechen betreiben ein sehr sehenswertes Informations-Center auf der Sporadeninsel Alonnissos und eine Station zur Aufzucht verlassener Robbenbabies in Steni Vala. Sie sind derzeit in mehreren Schutzprojekten aktiv – doch dazu später mehr.

Die Situation der Mönchsrobbe (lat.: Monachus Monachus) ist seit Jahrzehnten nicht rosig, die Art ist mittlerweile akut vom Aussterben bedroht. Einst in riesigen Kolonien im Mittelmeer vertreten, die sich auf den Stränden in der Sonne aalten, sind sie heute auf einen Bestand von ein paar Hundert Tieren dezimiert. Die bis zu 2,4 Meter langen, stattlichen Tiere sind eine der größten Robbenarten der Erde.



In der Antike von den Griechen verehrt standen sie unter dem Schutz von Poseidon und Apollo. Doch als die Römer die Ägäis für sich eroberten, entdeckten sie die Tiere als Quelle für Öl, Speck und Felle. Die Jagd auf die Tiere begann. So ging es über Jahrhunderte, bis sie im 20. Jahrhundert so weit dezimiert wurden, dass sie vom Aussterben bedroht waren. Vor allem Fischer machen den Tieren zu schaffen. Sie verenden in deren Netzen oder werden bis heute von Ihnen erschossen, weil sie deren Netze „leerfressen“ oder beschädigen.

Erst in den späten 70er Jahren wurden die Tiere unter Schutz gestellt. Heute leben die meisten Tiere in der Ägäis von den Sporaden über die Kykladen und die türkische Küste entlang. Vereinzelt werden sie auch in der Adria gesichtet, wie unlängst vor Pula oder auf Samos. Bei meinen Törns in Griechenland und der Türkei sind mir erst zweimal Robben begegnet: Eine sahen wir vor 8 Jahren auf der Insel Kalamos, eine weitere kam just in diesem Jahr in der Bucht von Eufimia auf Kephallonia bis etwa 30 Meter an das Ufer und schwamm abends in der Dämmerung gut 20 Minuten ihre Kreise durch die Bucht und schaute immer wieder mit dem Kopf aus dem Wasser.

Das ist ungewöhnlich, denn die Tiere änderten wegen der starken Bejagung ihr natürliches Verhalten. Sie wurden scheu und zogen sich sofort zurück, wenn Menschen sich näherten. Brachten sie normalerweise ihre Jungen auf offenen Stränden zur Welt, flohen sie vor den Jägern in nur schwer zugängliche Höhlen an Steilküsten. Dort sind die Jungen aber oft in Gefahr: Bei plötzlichen Stürmen wird der Nachwuchs so in der Höhle von Seegang erschlagen.

Wegen unser ungewöhnlichen Begegnung im Ionischen Meer befragten wir deshalb Dr. Alexandros Karamanlidis von der Mom zum Stand der Dinge der Mönchsrobbe in der Ägäis.

„Insider“: Herr Karamanlidis ist es ungewöhnlich die Robben so dicht am Ufer zu beobachten?

In der Tat ist so etwas früher eher selten gewesen, doch in letzter Zeit beobachten wir verstärkt, dass die Robben sich wieder dichter in die Nähe des Menschen wagen. Wir führen das auf die besseren Schutzbemühungen seit Jahren zurück. Die Tiere verlieren ihre Scheu, weil sie seltener gejagt werden und trauen sich wieder näher an den Mensch heran.

Sind die Tiere denn nur zutraulicher oder erholt sich der Bestand? Zuletzt kursierten Zahlen von etwa 350 Tieren in griechischen Gewässern...

Glücklicherweise geht es denn Robben jetzt besser als noch vor 20 Jahren. Mittlerweile gibt es mehrere Schutzgebiete (MPA = Marine Protected Area), die offensichtlich funktionieren. Das um die Sporaden hat Mom jahrelang betreut. 2008 haben wir geholfen, dass an Karpathos Nordseite seit 2008 ein weiteres eingerichtet wurde, da dort eine wichtige Population lebt. Und zurzeit versuchen wir eine weitere Kolonie auf der Kykladen Insel Gyaros, die wir auch erst vor wenigen Jahren entdeckt haben, unter Schutz zu stellen. Die Initiative dafür läuft bereits. Wir gehen davon aus, dass heute ungefähr 700 Tiere im Mittelmeer leben, etwa 350-400 davon in Griechenland. Das ist nicht genug, aber zurzeit scheint der Bestand zumindest stabil.
Selbst in den Gewässern vor Athen und im Saronischen Golf tauchen die Tiere nun wieder auf. Wir sind gerade dabei das zu erforschen. Nur wenn wir die Rückzugsgebiete der Tiere kennen, können wir sie durch Ausweisung von Sperrgebieten und Nationalparks wirksam schützen.

Ein Problem der Robben war auch der Nahrungsmangel wegen Überfischung, der auch für den Rückgang von Delphinen verantwortlich ist. Wie ist da der Zuwachs zu erklären?

Die Robben haben sich als sehr anpassungsfähig erwiesen. Sie jagen jetzt verstärkt Oktopus, den es in der Ägäis noch reichlich gibt. Delphine können nicht so einfach die Nahrungssuche anpassen.

Bei meinem letzten Besuch im Nationalpark auf Alonissos erklärten mir die Mitarbeiter 2008, dass die Tiere nur schwer zu beobachten sein. Woher kommen die neuen Zahlen?

Es stimmt, dass die männlichen Tiere sehr weite Strecken durch das ganze Mittelmeer zurücklegen, aber die Weibchen sind ziemlich ortstreu. Sie gehen für die Geburt ihrer Jungen immer in dieselben Höhlen. So können wir durch Beobachtungen, teils auch Kameras in den Höhlen, verfolgen, ob sie Nachwuchs haben oder nicht. Wir konnten auch einige Jungtiere mit Sendern versehen, so dass wir ihren Aktionsradius einige Wochen lang verfolgen konnten. Sie schwammen praktisch durch die ganzen Sporaden, auch um Euböa herum.

Hat sich das Verhalten der Tiere denn auch schon bei der Geburt geändert? Früher fand das auf Stränden statt...

Noch nicht, aber wir beobachten, dass die Tiere sich wieder trauen, auf den Stränden zu ruhen. Das haben sie lange Jahre nicht mehr getan!

In Griechenland scheint die Situation sich also zu verbessern, wie ist es in der Türkei?

Die türkische Population ist deutlich kleiner. Der rasch wachsende Tourismus entlang großer Teile der Küste ist zudem ein Problem. Es gibt eine türkische NGOs, SADAFAG, die den Schutz der Tiere unterstützt.

Ende des Interviews.

In der Türkei ist die wohl bekannteste Robbe des Landes „Badem“ (= Mandel, wegen ihrer mandelförmigen Augen a la Brigit Bardot), eine Mönchrobbe, die in einer Aufzucht-Station gerettet wurde und daher keine Scheu vor Menschen hat. Der Insider hatte mehrfach darüber berichtet, so hier und hier und hier und hier.

Nach meiner Rückkehr stellte sich heraus, dass die türkische NGO gerade versucht zu verhindern, dass ein Hotel einen Zugang zum Strand an einer Steilküste baut, nur 15 Meter entfernt von einer Geburtshöhle einer Robbe. Ein Gericht hat den Bau in der geplanten Form untersagt, doch offenbar schwelt der Streit noch immer und das Hotel versucht weiter zu bauen. Mehr Infos auf der Webseite:

Sehr gut ist auch die Webseite „Monachus Guardian"


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